Europa, 1466: Als die Hexenverfolgung immer weiter um sich greift, schreitet die bisher geheime Elite der Hexen ein und offenbart: Jede Frau ist der Magie fähig!
550 Jahre später wächst die junge Hexe und staatstreue Gardistin Helena in einer Gesellschaft heran, in der die Vorherrschaft der Frauen unumstößlich scheint. Sie träumt davon, weiter im Dienst der höchsten Hexe, der Goldenen Frau, aufzusteigen. Doch als sie Opfer einer Intrige wird und fliehen muss, gerät sie in die Fänge von Rebellen. Denn auch das stärkste Regime hat seine Fehler – und seine Feinde …
Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie eine alternative Gegenwart (Kann man das überhaupt so nennen, wenn Magie im Spiel ist?) aussehen könnte. In der, die Monika Loerchner in ihrem Buch „Hexenherz – Eisiger Zorn“ beschreibt, sind die klassischen Geschlechterrollen vertauscht und Hexen haben das Sagen über die Gesellschaft.
Ich muss zugeben, nach wenigen Seiten bekam meine anfängliche Faszination einen kleinen Knick, da ich für einen Moment befürchtete, dies würde eine „Mädchen schließt sich Rebellen an und es entwickelt sich eine tragische Romanze“-Geschichte werden.- Weit gefehlt! In Wirklichkeit steckt viel mehr dahinter. Liebesschmalz ist so gar nicht vorhanden und die verschiedenen Hintergründe und Taten der Figuren verknüpfen sich letztendlich zu einer sehr durchdachten Handlung, die man nicht stereotypisch mit irgendwelchen Klischees besetzen könnte.
Helena, die Hauptprotagonistin, ist nicht die typische Heldin.
Nachdem ihrer Freundin etwas Schreckliches zustößt, formt sie sich immer mehr und mehr zu einer charakterlich ziemlich schwierigen Person, die sich nicht wirklich einfügen kann und in ihren Ansichten doch sehr verbohrt ist. Sie ist standfest, widerspenstig und besetzt - in meinen Augen - für eine ganze Weile die Rolle der „Bösen“. (Tatsächlich sah ich die Rebellen eher auf der „guten Seite“. Aber ich denke, jeder Leser kann in diesem Buch für sich entscheiden, für welche Seite er eher Partei ergreifen will, da alle so ihre Stärken und Schwächen, Sympathien und Antipathien haben.)
Manchmal hat mich Helena mit ihrem Verhalten und ihrer unglaublichen Dickköpfigkeit fast zur Weißglut getrieben. Immerhin waren eigentlich alle sehr gut zu ihr. Selbst die Rebellen haben sie überwiegend gut behandelt und es hat mich richtig aufgeregt, dass sich in ihr dabei nichts gerüttelt hat.- Aber das bedeutet immerhin, dass ich wirklich mitgefiebert habe.
Helena hält etwas zu viel auf sich, ist sehr stolz und doch passen diese Charakterzüge gut zu ihrer Rolle als Gardistin. Außerdem ist es dadurch umso bedeutender, wenn sie ehrliche Emotionen fühlt und auch zeigt.
Da sie relativ viel umherreist, betritt Helena verschiedene Gegenden und ich konnte genau beobachten, wie diese einzelnen Welten - also Wald, Stadt, Dorf, Verließt etc.- auf sie wirken und irgendwie auch formen. Sie verändert sich nie so gänzlich, bleibt ihrem Muster immer treu, aber die Feinheiten ihrer Person selbst variieren stark, weshalb sie nie zu einer langweiligen Figur wird.
Von den anderen Charakteren ist keiner so penibel ausgearbeitet wie sie.- Aber das ist gut so. Denn da es so einige Menschen gibt, denen Helena begegnet, wären zu komplexe Charaktere verwirrend gewesen. Die Autorin hat zwar jedem Protagonisten eigene Wesenszüge gegeben, aber eben nur gerade so viele, damit man sie gut voneinander trennen kann, ohne in Verwirrung zu geraten.
Auch die Welt, in der die Menschen und Hexen miteinander leben ist gut ausgearbeitet und voller Details, ohne zu überfordern. Der Gedanke, dass in dieser alternativen Gegenwart die Magie der Hexen so funktioniert wie die Technik, die wir in „unserer Welt“ haben, hat mich teilweise zum Grinsen gebracht. Denn auch in Helenas Universum gibt es Rolltreppen und künstliches Licht. Und der Gedanke daran, dass Hexen auf sich bewegenden Bürgersteigen durch die Stadt bummeln, war schon ganz witzig.
Mit jedem Kapitelbeginn kann man außerdem einen Blick in die Annalen werfen. Das heißt, man kann ohne viel verwirrendes Hin und Her die Geschichte der Hexen nachvollziehen. Das halte ich persönlich für einen sehr cleveren Schachzug der Autorin, da sie so die eigentliche Handlung recht linear halten konnte. Ich finde es selbst nämlich recht anstrengend, wenn man neben einer neuen Welt, auch eine neue Historie lernen soll. So etwas kann schnell ermüdend werden.
Was mich fasziniert, ist, dass die Autorin mir immer wieder ein gewisses Gefühl von Realität gegeben hat. Keine magische Handlung war zu abgedreht, um unglaubwürdig zu wirken und tatsächlich fiel es mir manchmal schwer, Reales von Fiktion zu trennen. Monika Loerchner schreibt sehr geübt, leicht und absolut ungezwungen, weshalb es mir sehr leicht fiel, mich in der Geschichte völlig fallen zu lassen. So konnten sich die verschiedenen Emotionen der einzelnen Figuren sehr einfach auf mich übertragen und mich noch stärker fesseln.
"Mist."
Und dann noch ein paar Mal: "Mist, Mist, Mist."
Das waren die Worte, mit denen mich meine Mutter begrüßte, kaum dass ich geboren war.
(Seite 8)
In seine Augen tritt ein Funkeln, die Luft um mich herum vibriert und ich frage mich, wie es sein kann, dass ich hier und jetzt Magie spüre.
(Seite 122)
"Aber wenn wir Feinde sind, warum weinst du dann?"
"Weil man auch in Feinden manchmal Freundliches entdeckt."
(Seite 342)
Eine Heldin, die erst fühlen lernen muss, eine Regierung, deren Fassade langsam bröckelt und ein Kampf zwischen Rebellen und Hexen, der immer blutiger und verzweifelter wird.
- Ein Buch, in dem letztendlich nichts so ist, wie es scheint und das von der ersten bis zur letzten Seite seine Leser unterhält und die Moral jedes einzelnen beschäftigt.
7/7
ISBN: 9783862824564