Montag, 29. Mai 2023

{Rezension} Zauberklingen - Die Klingen-Saga 1

 


In einer Welt, in der der sprichwörtliche Dolch im Rücken gerne wörtlich genommen wird, ist es gefährlich ohne Verbündete. Das spürt nicht nur der Soldat Leo dan Brock, der an der erbittert umkämpften Grenze Anglands auf die Hilfe des Königs wartet. Auch Savine dan Glokta, Tochter des meistgehassten Mannes der Union, muss auf ihrem Weg an die Spitze der Gesellschaft erkennen, dass Wille allein noch keine Macht sichert. Und während neue Kräfte Chaos stiften, erhebt sich auch die alte Magie noch einmal, als die Häuptlingstochter Rikke mithilfe einer verrückten Hexe ihre eigenen Zauberkräfte zu entdecken beginnt. Doch zu welchem Preis?

Bei Abercrombies Büchern ist die Einsortierung der einzelnen Bände ein bisschen schwierig. Im gesamten Klingen-Zyklus ist dieser Band die Nummer 8, allerdings ist der Zyklus in verschiedene Reihen noch einmal aufgeteilt. Zauberklingen ist dabei der erste Band der „Next Gen“, sozusagen, also trotzdem Band 1 einer neuen Reihe, die sich in den Zyklus einfügt. Ergibt das Sinn? Ich hoffe, ich habs halbwegs verständlich erklärt.
Kurz gesagt: Man kann durchaus mit diesem Band beginnen und versteht die Welt trotzdem halbwegs gut.

Ich habe ja schon so manches Buch von Abercrombie gelesen. Königsjäger ist ja bis heute eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Trotzdem hatte ich, bis ich Zauberklingen in die Hand genommen hatte, fast vergessen, wie derb der Autor schreiben kann und wie eigen seine Charaktere sein können.- Von welchen über die ersten Kapitel hinweg gleich eine Menge auf charmante Abercrombie-Weise vorgestellt werden. Und wenn man dann glaubt, man hat ein ungefähres Bild einer Figur, wirft Abercrombie dieses im nächsten Absatz direkt wieder über den Haufen. Es bleibt also spannend. Ausruhen ist bei den Werken dieses Autors eh nicht drin.
So überhaupt gibt es in Zauberklingen wirklich sehr viele Figuren, wofür man schon offen sein muss. Zwar konzentriert sich die Handlung selbst auf eine Handvoll von Charakteren, allerdings muss man sich vorher erst einmal über viele Kapitel hinweg einen Überblick über diese verschaffen, denn es gibt noch einige Nebenfiguren, aus deren Sicht die Handlung ebenfalls erlebt wird.
Zu den Hauptfiguren zählen dabei Rikke, Leo, Savine, Breit und Orso. 
Rikke hat das Lange Auge, kann also unkontrolliert in die Zukunft sehen und sie ist definitiv mein Favorit aus dem gesamten Buch. Sie ist tough, sehr ungefiltert und in Dungeons & Dragons würde man sagen „chaotic neutral“. Ich war einfach immer direkt happy, wenn es etwas Neues von ihr zu lesen gab. Sie ist stellenweise moralisch eher grau, vor allem, wenn es um ihre Feinde geht. Gerade das hat mir so an ihr gefallen, denke ich. Dass sie weder Heldin noch Bösewicht ist.
Ihre und Leos Handlungsstränge vereinen sich ab einem gewissen Punkt, denn die beiden kennen sich von früher und verfolgen ähnliche Ziele, stehen zumindest auf der gleichen Seite.
Leo ist Teil der Soldaten, die seine Mutter befehligt, und hat das Ziel, Lord Statthalter zu werden. Er ist noch jung und will sich im Kampf beweisen und damit ist er einer derer, die die größte Entwicklung durchmachen. Denn dass Höhenflüge im Krieg ganz schnell in die Hose gehen können, muss er noch lernen. Und, ich werde die Stelle nicht spoilern, als das dann endlich passiert und er auf den Boden der Tatsachen zurückkehrt, habe ich als Leserin richtig fühlen können, wie seine Welt so ein bisschen zusammengebrochen ist und er auf einmal sehr viel reifer wurde. Gewisse Aspekte an ihm erinnern zwar trotzdem noch an einen dickköpfigen Teenager, aber ihn sofort eine 180 Grad Drehung machen zu lassen wäre wohl auch irgendwie unglaubwürdig gewesen.
Einen riesigen Kontrast zu Rikke und Leo stellt Savine dar. Sie ist grässlich. Ich hatte die Anfangszeit noch etwas Hoffnung für sie, da sie als starke, erfolgreiche Frau und Besitzerin verschiedener Fabriken ja doch irgendwie eine interessante Figur hätte sein können, doch ist ihr Charakter einfach widerlich. Sie ist rabiat, manipulativ und bildet sich schrecklich viel darauf ein „die Böse“ in der Welt vieler zu sein, was irgendwie einfach nur infantil wirkt. Viele ihrer inneren Gedankengänge klingen extrem nach all diesem edgy, angsty „The bad chose me“. Zwar entwickelt sie sich auch irgendwie weiter, aber das passiert erst so spät im Buch, dass Savine den Rest des Lesevergnügens trotzdem versaut.
Ein guter Counterpart zu Savine ist auch Breit. Er ist Arbeiter, landet mit seiner Familie zwischen den Maschinenstürmern und gerät damit auch mit Savine in Kontakt. Allerdings auf andere Weise, als man denken könnte. 
Auch zu Orso werde ich nicht allzu viel sagen. Einfach, weil es einfach nicht viel über ihn zu sagen gibt und das meiste, was ich hier schreiben könnte, meiner Meinung nach Spoiler wären. Aber um es grob zu fassen: Orso ist der Sohn des Königs, Savines (buäh) Liebhaber und hängt vielen Lastern nach. Wie Leo will auch er „seinen Beitrag“ auf dem Schlachtfeld leisten. Aber es kommt dann doch sehr anders.

Aber nicht nur wegen der Charaktere sollte man dieses Buch halbwegs aufmerksam lesen. Auch die politischen Gegebenheiten, die für die Handlung hier eine wichtige Rolle spielen, sind nach typischer High Fantasy Manier recht umfassend beschrieben und man muss sich eine ganze Weile einlesen, um das Ganze zu verstehen. Welche Soldaten hier in welche Gebiete einfallen ist wichtig, aber erst einmal schwer zusammenzusetzen.- Für mich jedenfalls.
Genau das ist auch einer der Gründe, warum ich selbst nach rund 200 Seiten irgendwie noch keinen Roten Faden sehen kann. Jeder macht oder erlebt irgendwo irgendwas, aber nur sehr, sehr langsam laufen die einzelnen Handlungsstränge einzelner Figuren zusammen. 
Grob genommen gibt es drei Perspektiven in diesem Buch:
1. Die der arbeitenden Schicht, die ein besseres und faires Leben wollen, statt von den Bessergestellten in Fabriken ausgebeutet zu werden. Diese Arbeiter schließen sich teilweise zusammen, um gegen diese Unterdrückung anzukämpfen, und nennen sich „Maschinenstürmer“.
2. Jene, die die Waffen schwingen und mehr die politische Seite im Sinne von Krieg und Gefecht zeigen, sich auf dem Schlachtfeld beweisen wollen.
3. Korrupte, unmoralische Gestalten, die versuchen, den Maschinenstürmern und Aufständischen einen Riegel vorzuschieben und die aktuelle politische Krise für ihre Zwecke zu nutzen.
Zusammen ermöglicht das eine mehrdimensionale Sicht auf die Dinge und stellt dazu viele verschiedene Facetten der Gesellschaft dar. Und nach knapp 300 Seiten ergibt sich so auch endlich eine nachvollziehbarer Handlung.
Manch einer von euch merkt hier vielleicht auch bereits, dass ich hier noch rein gar nichts so wirklich über Fantasy oder irgendwelche Fantasy-Aspekte des Buchs geschrieben habe. Nun ja, das liegt daran, dass das ganze Buch nach Industrieller Revolution schreit und sehr viel weniger nach Fantasy

Ehrlich gesagt waren für mich persönlich auch lediglich die Kapitel und Rikke und Leo wirklich immer lesenswert. Trotzdem haben derart hassenswerte Figuren wie Savine die allermeisten Kapitel. Ich nehme an, dass Zauberklingen, als erster Band mit der neuen Generation von... „Helden“, primär dazu gedacht ist, die Charakterentwicklung der später wichtigen Personen zu zeigen, bzw. für das Fundament der Folgebände zuständig ist und deswegen ist Zauberklingen auch so relativ handlungsfrei an manchen Stellen. Auf die letzten 200 Seiten hin hat der Autor dann auch endlich all seinen Figuren ordentliche Probleme und Aufgaben gegeben und man kann auch wirklich endlich von starker Charakterentwicklung für alle reden.
- Was gut ist, denn ich hätte es nicht ertragen, wenn manch einer so geblieben wäre wie am Anfang und ich all diese Zeit zum Lesen der Kapitel dieser bestimmten Figuren investiert hätte, um sie am Ende noch weniger leiden zu können.
Das Ende von Zauberklingen lässt einige Cliffhänger hoffen und damit auch mich darauf hoffen, dass der Folgeband mehr Substanz haben wird als dieser erste Band und dass dann auch vielleicht endlich das Buch besser in sein Genre passt.
Definitiv eines der schwächeren Werke von Abercrombie. Mehr industrielle Revolution, weniger Fantasy und der schrecklichste Charakter hat die meisten Kapitel.

3/7
♥♡

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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

3 Kommentare:

  1. Hi Anabell,

    da musste ich jetzt schon schauen, warum es dich nicht überzeugen konnte.
    Hast du denn die anderen Klingen Romane vorher gelesen? Ich finde es nämlich schon schwierig, hier mit diesem Band einzusteigen, ohne das ganze Vorwissen. Auch wenn hier die "nächste Generation" dran ist. Das ganze Vorspiel sozusagen, wie alles dahingekommen ist, wo es jetzt ist in diesem Land, das hätte man da ja komplett verpasst...

    Auch in den Klingenbänden am Anfang gibts ja einen wirklich grandiosen Bösewicht in dan Glokta. Eine geniale Figur, grade weil sie so abgrundtief ätzend sind :D Aber man erfährt dann schon auch, warum - es dauert halt. Aber das bin ich von längeren Fantasyreihen gewöhnt.
    Savine fand ich auch sehr cool - ich mag solche bösen Gestalten, denn sie offenbaren irgendwann schon auch noch andere Züge. In guten Geschichten. Und die Klingenreihe ist defnitiv sehr genial!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallöchen Aleshanee! :)
      Ja, die habe ich tatsächlich gelesen. Allerdings nur die ersten... 4 oder 5. Bin gerade nicht sicher. Mich hat dieses Buch einfach nicht erreicht, muss ich sagen. Vielleicht schadet es manchmal auch ein bisschen, wenn man dauernd Vergleiche zwischen den Werken eines Autors zieht, wie ich es gemacht habe, wie ich gestehen muss.

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    2. Naja, manchmal passt es auch einfach nicht ;)
      Ich finde schon, dass hier "the next generation" schon etwas anders ist als die Vorbände. Hier steht wirklich viel die handwerklich/technische Revolution im Vordergrund - war jetzt auch nicht so mein Lieblingsthema hier, aber die Charaktere find ich einfach immer so genial xD

      Ich hatte das vor kurzem bei der Skulduggery Reihe von Derek Landy. Eigentlich sollte Band 9 ja der Abschlussband sein und das war auch ein großes Highlight für mich.
      Dann hat er doch noch weitergeschrieben - und ich hab mich sehr darüber gefreut. Allerdings kam ich in die Folgebände einfach nicht mehr so rein und es wirkte total anders...

      Von Abercrombie hab ich ja jetzt die Klingen Saga durch - und möchte natürlich auch seine anderen Werke lesen. Ich hoffe, dass sie mir dann auch so gut gefallen :)

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