Pennsylvania, im Jahr 1815: Der einfache, gutherzige Maultierzüchter Cy Bellman findet keine Ruhe mehr, seit er in der Zeitung von einer unglaublichen Entdeckung gelesen hat. Um seinem Traum nachzujagen, bringt er das größte Opfer und lässt seine 10-jährige Tochter Bess in der Obhut ihrer ruppigen Tante zurück. Während Bess auf sich allein gestellt zur Frau wird, erlebt Bellman im tiefen Westen ein Abenteuer, das sich völlig anders entwickelt als erwartet. Carys Davies hat eine »eine traurig schöne Geschichte« (The Times) geschrieben über die tiefe Sehnsucht, alles hinter sich zu lassen und seinem Leben einen neuen Sinn zu geben.
Dienstag, 9. Mai 2023
{Rezension} WEST
Mit knapp über 200 Seiten ist „West“ im Vergleich zu meinem sonstigen Lesestoff eher ein Kurztrip, statt einer Reise. Da die Handlung sich über verschiedene Zeitebenen erstreckt, die nicht linear zueinander verlaufen und die Kapitel doch sehr kurz gehalten sind (jedes ist nur eine handvoll Seiten lang) verstärkt sich beim Lesen das Gefühl, eher das Konzentrat einer Geschichte vor sich zu haben, statt eines ausgedehnten Romans.- Was nicht zwingend schlecht ist. Man könnte meinen, ein Buch mit so wenigen Seiten ist eher flüchtige Literatur für nebenbei, aber tatsächlich lädt „WEST“ zum Verweilen und Fernweh-fühlen ein.
Cy stößt auf einen Artikel über gefundene Knochen riesiger Kreaturen und trägt diesen von da an bei sich. Der Gedanke an die vermeintlichen Monster lässt ihn nicht los und so macht er sich mit seinem Pferd in Richtung nordamerikanische Westküste auf. Davies spinnt das Mysterium um diese angeblichen Kreaturen weiter und überlässt dem Leser selbst einen Monsterteil der Vorstellung. Sie gibt überhaupt wenige Beschreibungen zu irgendetwas. Jedes Bisschen an Informationen über Charaktere, Geschehnisse und dergleichen muss man sich hier als Leser schon beinahe erkämpfen.
Durch die Sprünge zwischen Cy und seiner Tochter Bess über die einzelnen Kapitel stellt Davies immer wieder das Für und Wider von Cys Reise gen Westen einander gegenüber. Auf der einen Seite bekommt Bess mit, wie kritisch ihr Umfeld von den Plänen ihres Vaters denkt, auf der anderen Seite vermittelt Cy ein Gefühl von Hoffnung auf ein Abenteuer mit der Sehnsucht nach der Fremde. Und ich muss sagen, auch mich hatte diese Aufbruchsstimmung von Cy gepackt. Während er sich durch das Land kämpfte, wurde mir als Leserin noch stückchenweise ein Teil amerikanische Geschichte nähergebracht. Dabei handelt es sich aber nicht nur um legendäre Helden, die die Wildnis bezwingen; Stattdessen wird unter Anderem die Ausbeutung der nativen Völker thematisiert.
Mit jeder gelesenen Seite wird der tragische Unterton des Buches primär durch Cys Reise stärker. Dass sich Unheil für ihn und seine Tochter Bess anbahnt wird gewissermaßen fühlbar. Und trotzdem hinterlässt „WEST“ bei mir ein merkwürdiges Gefühl von Wanderlust und Heimatliebe, mit bitterem Beigeschmack.
Ein kurzer, entschleunigter Roman, der mehr zu bieten hat, wenn man die eigene Vorstellungskraft arbeiten lässt.
5/7
♥♥♥♥♥♡♡
Erscheinungsdatum: 10. Juni 2019
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Hallo Annabell
AntwortenLöschenDas Buch ist mir bisher noch nirgends begegnet, aber irgendwie hat mich das Cover direkt angesprochen, deshalb war ich sehr neugierig auf deine Rezension.
Man spürt die Atmosphäre, die das Buch vermittelt, sehr stark aus deinen Worten heraus und es macht richtig neugierig auf das Buch, auch wenn der letzte Abschnitt danach klingt, als würde es kein Happy End geben. Aber das sind oftmals die Geschichten, die mir am längsten in Erinnerung bleiben, weil sie mich sprachlos zurücklassen.
Schön zu sehen, dass die Story trotz ihrer Kürze zu überzeugen weiss. Ich werde mir den Buchtitel auf jeden Fall mal im Hinterkopf behalten.
Liebe Grüsse
Mel
Hey Mel! :)
LöschenIch bin auch damals nur wegen des Covers am Buch hängengeblieben. Die Atmosphäre des Buches lässt sich wirklich schwer in Worte fassen, da es eben auch recht kurz ist und irgendwie so ganz anders, als alles, was ich je gelesen habe.
Freut mich, dass ich dich neugierig machen konnte :)