Sonntag, 9. Dezember 2018

{Rezension} Opfermond

In der Stadt des blutigen Gottes herrscht das Recht des Stärkeren. Als der Assassine Varek angeheuert wird, einen Mord aufzuklären, klingt das nach einer willkommenen Abwechslung von seinem verhassten Tagewerk. Doch die einzige Zeugin, das Freudenmädchen Idra, weiß mehr, als sie preisgeben will. Um an ihre Informationen zu gelangen, geht Varek ein Bündnis mit ihr ein, das ihn schmerzhaft an bessere Zeiten erinnert. Die Spur des goldenen Skarabäus führt ihn schließlich zu einem grausamen Kult, der mehr als nur ein Blutopfer verlangt …

Figuren
Varek ist trotz seines Berufs und seiner Taten ein sehr sympathischer Charakter. Elea Brandt hat mit ihm einen vielschichtigen, liebenswürdigen und auch stellenweise bemitleidenswerten Mann geschaffen, von dem ich einfach nicht genug kriegen konnte. Obwohl er früher in seinem Leben ein höhergestellter Mann war und jetzt als Unbestechlicher mehr geächtet als geschätzt wird, macht er sich nicht viel aus Materiellem und legt mehr Wert auf Menschlichkeit, was kaum zu glauben ist, da er Menschen für Geld tötet. Irgendwie balanciert er auf dem schmalen Grat dazwischen.
Die weibliche Hauptfigur ist Idra. Sie lebt als Prostituierte unter sehr schlechten Bedingungen, ist ein abgehärtetes Großmaul und lässt nur nach und nach zu, dass sich etwas in ihrem Leben ändert. Was mir an beiden Figuren besonders gefällt: Sie funktionieren alleinstehend wunderbar und ergänzen einander so gut als Charaktere, dass sie das Bild der Story wahrlich perfektionieren.

Schreibstil
Ich gehe ungern mit Vorurteilen an ein Buch heran, muss aber gestehen, dass ich in all meinen lesereichen Jahren gemerkt habe, dass Frauen meist eine sanftere Art zu schreiben haben und es oft so wirkt, als würden sie sich zu manchen Ausdrücken nicht richtig trauen. Umso mehr war ich positiv überrascht, als ich merkte, wie ungewohnt hart diese Autorin ihre Figuren rannimmt und sich auch vor den widerlichsten und düstersten Szenen nicht scheut. Zudem fesselt ihr Schreibstil von der ersten Seite an und geht runter wie Butter. Ich kann es gar nicht abwarten, noch mehr von Elea Brandt zu lesen.


Inhalt
Die Geschichte beginnt mit einem Auftrag, den Varek annimmt, weil er das erste Mal keinen Menschen töten, sondern nur finden soll.- Nämlich den Mörder des Sohnes eines Patriarchen. Also gräbt er sich durch die dunklen Geheimnisse einer großen Stadt (Ghor-El-Chras), vollgestopft mit zwielichtigen Gestalten aller Schichten. Ghor-El-Chras besteht aus drei wesentlichen Teilen: dem äußeren Ring (Sha-Quai), in dem die Hurenstraße und die Ghettos liegen und in dem sich die Leichen stapeln, dem inneren Ring (Sha-Nuri), in dem abgetrennt durch eine große Mauer die obere, reiche Schicht ein gutes Leben führt und sich vor der Armut nebenan verschließt und dem Sha-Amin, dem Kern der Stadt, in dem der Tempel steht. Verschont bleiben allerdings die niedrigsten und auch die höchsten sozialen Schichten nicht vor dem blutigen Kult um die Käferkönigin, der aufzulodern beginnt. Tote treiben bereits in den Kanälen und ungewöhnliche Amulette mit Skarabäen tauchen auf. Wie ein Tropfen, der das bereits randvolle Fass zum Überlaufen bringt, treibt dieser unterirdische Terror die Menschen zu gefährlicher Unruhe und Bewegung kommt in die ungewöhnlichsten Gestalten, die sich bisher zurückgehalten haben und nun Gefahren oder Chancen wittern.
Die gesamte Welt des Buches ist auf Ghor-El-Chras beschränkt und trotzdem bietet allein das Umfeld der Figuren genug Facetten und Abwechslung, um einen eigenen kleinen aber umfangreichen Kosmos in dieser Stadt zu schaffen.
Varek und Idra sind dabei den gleichen Gefühlen wie Wut, Einsamkeit und Verzweiflung, unter verschiedensten Umständen ausgesetzt und gehen auf ihre eigenen Weisen mit diesen um. 
Ein Strudel aus Dreck, Blut und Verwesung führt die beiden auf mehr oder weniger getrennten Wegen immer näher an den Kult der Käferkönigin heran. Unter anderen Umständen hätte es mich sicher gestört, dass Varek und Idra erst spät im Buch aufeinander treffen, in „Opfermond“ hat das allerdings gepasst, denn durch die zwei verschiedenen Sichten auf die Story habe ich als Leserin ein viel breiter gefächertes Bild auf die Handlung und auch die Sicht aus zwei sehr verschiedenen Leben bekommen.
Als die beiden dann endlich beginnen, miteinander zu arbeiten, schließt die Autorin auf eine sehr clevere Weise, hinter die ich selbst erst sehr spät gestiegen bin, den Kreis um alles Geschehene und plötzlich sind alle Fragen beantwortet.

Irgendetwas sagte Idra, dass mehr dahintersteckte. Etwas, das ihr Angst machte und dieses nagende, beklemmende Gefühl in ihrer Magengegend erklären würde. Vielleicht ein Irrer, der den Khari dafür bezahlte, Huren und Strichjungen abschlachten zu dürfen?
Die Käferkönigin kommt.
Seite 167

Ich bin nicht nur hin und weg vom Schreibstil der Autorin, sondern auch absolut begeistert von ihrem faszinierenden Weltenbau, den durchdachten Charakteren und der Spannungskurve, die enorm und rasant während der Story unaufhörlich steigt.

7/7
ISBN: 978-3945493366

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