Freitag, 26. Januar 2018

{Rezension} Phoenix 1 - Tochter der Asche

Europa liegt nach einem fehlgeschlagenen Experiment im Jahr 1913 und diversen Kriegen mit Amerika in Trümmern. Mit der Hilfe des damals führenden Wissenschaftlers Nicola Tesla bauten die Saiwalo, eine überirdische Macht, Europa langsam wieder auf. 120 Jahre später erschüttert eine Mordserie Hamburg, die sich niemand erklären kann. Leon, ein Anhänger der Saiwalo und Mitglied der Kontinentalarmee, wird auf die Fälle angesetzt und trifft bei seinen Ermittlungen auf die rätselhafte Tavi. Wer ist sie und wieso ist sie so fest von der Schuld der Saiwalo an den Morden überzeugt?

Figuren
Durch einen schweren Schicksalsschlag wurde Tavi, die Hauptprotagonistin, vor langer Zeit zu einer Phönix.- Einer „Seelenlosen“, wie sie die Menschen auch nennen. Allerdings ist sie nicht allein. Nicht nur sie, sondern auch andere übernatürliche Wesen leben versteckt unter der normalen Bevölkerung ein möglichst angepasstes und unauffälliges Leben. Ich muss ja zugeben, dass ich sehr froh bin, mal wieder von einer wirklich erwachsenen Frau zu lesen und nicht von einer Figur aus der 16- bis 18-Jährigen-Sparte. Denn Tavi ist nicht nur hunderte Jahre alt, ihr Geist ist es auch. In fast jeder Situation spricht die Lebenserfahrung aus ihr. Sie trifft reife Entscheidungen, verhält sich (meistens) sehr rational und durchdenkt, was sie tut. 
Die männliche Hauptrolle in diesem Buch hat Leon. Er ist das perfekte unperfekte Gegenstück zu Levi. Leon tritt meistens sehr kühl, ernst und distanziert auf, wirkt teilweise sogar fies. Allerdings muss ich ihm auch zugestehen, dass er seine eigenen sehr interessanten, emotionalen Schwächen hat.

Schreibstil
Ann-Kathrin Karschnicks Schreibstil, ich kann es nicht anders sagen, geht runter wie Butter. Dadurch war es für mich ein wirklich Leichtes, mich im zwielichtigen Hamburg der Zukunft und den Köpfen der einzelnen Figuren zu verlieren. Besonders fand ich hier, dass die Autorin die Welt nicht möglichst fantasievoll und hochtrabend beschreibt, sondern alles passend zur Story irgendwie dreckig, rostig und scharfkantig darstellt. Lediglich die Figuren bringen eine gewisse Leichtigkeit und Weichheit mit hinein, was die Mischung perfekt macht und so einen unverwechselbaren Stil schafft. Immerhin hat es die Autorin geschafft, sogar Knöpfe wie das Interessanteste der Welt erscheinen zu lassen. Hut ab dafür.


Inhalt
Als Leon die Ermittlungen zu einem Mordfall in Hamburg aufnimmt, kreuzen sich die Wege der beiden das erste Mal. Denn Tavi beschließt, auf eigene Faust den Morden nachzugehen, die ihr offenbar irgendjemand in die Schuhe schieben will, was Leon selbstverständlich völlig gegen den Strich geht. Zwar sind sowohl Leon als auch Tavi sehr verschieden, doch nach und nach offenbaren sich bisher versteckte Gemeinsamkeiten, die die Luft zwischen den beiden ordentlich anheizen. Zum Glück entsteht zwischen ihnen jedoch keine stupide Liebe auf den ersten Blick. Sie stellen sich immer wieder mehr oder weniger freiwillig gegeneinander und erst während sie sich kennenlernen kristallisiert sich etwas Tieferes heraus, dass sie verbindet und mich sogar dazu gebracht hat, die beiden als Paar sehen zu wollen. Es bauscht sich allerdings derart viel zwischen ihnen auf, dass eine ganze Weile vergeht bis sie sich einander annähern. Und auch dann ist es kein Schmachten und Verzehren nacheinander, sondern eher eine Leidenschaft, die immer wieder unterdrückt werden muss. (In meinen Notizen habe ich dazu übrigens „Uiuiui!- Sexy Time!♥“ stehen. Ich fass es nicht.)

„Phönix – Tochter der Asche“ ist sehr viel futuristischer und düsterer, als ich anfangs erwartet hatte. Die Geschichte von Tavi und Leon spielt im Hamburg um 2033. Eigentlich liegt das nicht allzu fern in der Zukunft, doch hat sich schon viele Jahre zuvor alles geändert, wie man aus dem Klappentext erfährt. Wir befinden uns also in einer Art „Alternativwelt“ zu unserer. Mit anderen Wesen und etwas abgeänderter Historie. Und trotzdem spinnen sich das gesamte Buch über immer wieder kleine Fäden bis in „unsere Zeit“ und viele Jahrhunderte davor. So hat Tavi beispielsweise sogar die Hexenverfolgungen miterlebt. 
Es wird auch mit jedem Kapitel immer wieder bemerkbar, wie die Welt, die Ann-Kathrin Karschnick erschaffen hat, deutlich auf die Figuren abfärbt oder sie bereits geprägt hat. So haben alle Menschen und anderen Kreaturen, die man kennenlernt, etwas Totes in sich, dass so scheint, als könne man es nicht mehr retten. 
Das Ende selbst kam nicht komplett unerwartet, hier und da hatte die Autorin aber doch noch die eine oder andere Überraschungen einbauen können. Im Großen und Ganzen wurde ein sehr gutes Fundament mit einer Menge Material für die Folgebände geschaffen, auf die ich schon sehr gespannt bin.

„Ich habe Erfahrungen mit Wunden“, bemerkte sie abweisend. Sie wandte sich ab. Bilder von Kriegsschauplätzen tauchten vor ihrem inneren Auge auf, Verwundete, die in Gräben starben. Tavi redete nicht gerne darüber, denn es erinnerte sie daran, warum sie all den Menschen half. Die Schuld lag schwer auf ihrer Seele und egal wie lange sie leben würde: Ein unsterbliches Leben würde niemals ausreichen, um sie verschwinden zu lassen.
Seite 196

Stirn an Stirn, Haut an Haut. Ihre zwei Herzschläge verschmolzen zu einem.
Seite 288

Eine Dystopie der besonderen Art, in der die Melancholie teilweise zum Schneiden dick ist. Dazu zwei realistische Charaktere mit genug Schwächen und Stärken, die eine Menge Potential für weitere Teile bereithalten.

7/7

ISBN: 978-3944544052

Die gesamte Trilogie
  

Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Leseexemplars!:)

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